Naturalistische Science Fiction

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"Naturalitischere Science Fiction" (NSF) ist ein Terminus, der vom Mitschöpfer der neu interpretierten Serie "Battlestar Galactica" Ronald D. Moore geschaffen wurde, um die Ästhetik der Serie zu beschreiben. NSF ist dafür gedacht, das SF-Genre realistischer zu machen, dessen Wurzeln eher im Drama als in Abenteuergeschichten liegen. Es meidet Science Fiction-Einschränkungen wie eindimensionale Charakterisierungen, festumrissene Konzeptionen von Gut und Böse, sogenanntes "Technobabble" (technisch klingende Ausdrücke, die meistens aufgesetzt wirken), und "deus ex machina"-Auflösungen (mit denen ein scheinbar unlösbares Problem in der Handlung gelöst wird, indem vorher unbekannte technische Fähigkeiten genutzt werden). Im Fall von episodischen Dramen wie der neu interpretierten "Battlestar Galactica"-Serie gibt es außerdem mehrfache Bemühungen um Kontinuität - die Ereignisse in einer Episode haben sichtbare Auswirkungen in folgenden Episoden, anders als in andere Science Fiction-Serien, in denen Episoden für sich stehen. Naturalistische Science Fiction kombiniert Elemente von "weicher" Science Fiction (in welcher Charakterisierung von höchster Wichtigkeit ist) mit "harter" Science Fiction (in der glaubhafte technische Genauigkeit bevorzugt wird). Grundlegend ist es ein Drama mit Sci-Fi-Elementen.

Ron Moores Essay über NSF

BSG WIKI Postit Empty.png Dies ist ein Essay.
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Das folgende Essay, geschrieben von Mitschöpfer der Serie Ronald D. Moore, benennt seine Ziele, die er mit der Wiederbelebung der neu interpretierten Serie hatte.

Battlestar Galactica: Naturalistische Science Fiction oder das Herausführen der Oper aus der Weltraum-Oper

Unser Ziel ist nichts weniger als die Neuerfindung von Science Fiction-TV-Serien. Wir nehmen es als gegeben hin, dass die traditionelle Space Opera (auch Weltraum-Oper) mit ihren typischen Charakteren, technisch doppeldeutigen Gesprächen, seltsamen Aliens, theatralischen Getue der Schauspieler und leeren Heldenmut abgelaufen ist und ein neuer Ansatz benötigt wird. Dieser Ansatz soll Realismus darin einführen, wo es vorher ein aggressiv unrealistisches Genre gab.

Nennt es "Naturalistische Science Fiction".

Diese Idee, eine fantastische Situation in natürlichen Rahmen zu präsentieren, soll jeden Aspekt unserer Serie durchdringen:

Optik. Das erste, was für den Zuschauer hervorspringen soll, ist die dynamische Benutzung des dokumentarischen Stils oder genauer des Stil Cinéma vérité. Mittels exzessivem Gebrauch der tragbaren Kamera, praktischer Belichtung und funktionalem Design soll sich die Battlestar Galactica in jedem Aspekt wie ein realer Ort anfühlen.

Diese Veränderung in Farbton und Aussehen soll nicht zu stark betont werden. Es ist unsere Absicht, eine Serie zu machen, die nicht wie jede andere Science Fiction-Serie aussieht, die je produziert wurde. Ein normaler Zuschauer soll für den Moment denken, dass er oder sie ausversehen in ein Stück einer "60 Minuten"-Dokumentation über das Leben auf einem Flugzeugträger hineingeschalten hat, bis jemand anfängt über Zylonen und Kampfsterne zu sprechen.

Das soll nicht heißen, dass wir auf Videoband unter glimmenden Licht drehen, aber wir streben eine Plausibilität an, die schmerzlich in geradezu jeder anderen Science Fiction-Serie fehlt, die je anlief. Wir suchen nach filmischer Wahrheit, nicht nach gefertigten "hübschen Bildern" oder dem "Coolness"-Faktor.

Vielleicht nirgendwo wird das überraschender sein, als in unseren Spezialeffekte-Szenen. Unsere Schiffe sollen wie reale Schiffe betrachtet werden, für die jemand hinausgegangen ist und mit einer realen Kamera gefilmt hat. Das bedeutet, dass es keine 3D-"Helden"-Aufnahmen gibt, die bei Berührung eines Mauspads wild schwenken und zoomen. Die Fragen, die wir uns vor jedem VFX-Dreh stellen werden, sind ungefähr: "Wie bekommen wir diese Einstellung? Wo ist die Kamera? Wer hält sie? Ist der Kameramann in einem anderen Raumfahrzeug? Ist die Kamera am Flügel befestigt?" Diese Philosophie wird Bilder erzeugen, die einem Publikum präsentiert werden, welches übersättigt und gelangweilt von den selben alten "Wow -- das ist eine CGI-Szene!" mit einer veränderten Textur und einer anderen Filmsprache ist und die das Publikum dazu zwingt ihre Auffassung von Science Fiction neu zu bewerten.

Ein anderer Weg die Zuschauer mittels der Optik herauszufordern wird unser exzessiver Gebrauch des mehrfach geteilten Bildformates sein. Durch die Kombination mehrerer Blickwinkel während eines Nahkampfes werden wir beispielsweise dazu in der Lage sein, eine völlig neue Einstellung von einer ansonsten sattsam bekannten Sequenz zu präsentieren, die sich nicht wesentlich seit der Etablierung durch George Lucas Mitte der 1970er verändert hat.

Schließlich wird unser visueller Stil auch die Möglichkeiten aktivieren, die im Konzept der Serie selbst innewohnen, um ungewöhnliche Bilder zu liefern, die typischerweise noch nicht in diesem Genre gesehen wurden. Das ist die Einbeziehung von einer Vielfalt ziviler Schiffe, jedes von ihnen soll eine einzigartige Form und visuelle Referenzmerkmale haben, die in starkem Kontrast zum militärischen Leben an Bord der Galactica stehen. Zum Beispiel haben wir ein Schiff in unserer bunt gemischten Flotte, das als ein raumtauglicher Marktplatz oder als eine Umgebung für "städtische Spaziergänge" entwickelt wurde. Diese Nebeneinanderstellung dieser hochglänzenden, sexy Atmosphäre gegenüber der mutigen Realität einer Geschichte des Überlebens wird uns weitere Strukturen und Ebenen zum Spielen geben, als es das sonst in der typischen Genrekost gab.

Schnittprozess. Unser Stil soll sich gleichzeitig vom zur Zeit klischeehaften MTV-Schnellschnitt fernhalten, wie auch vom vorhergehenden etwas schwerfälligen und düsteren Star Trek-Muster "Gesamteinstellung (master), Halbnahe (two-shot), Großaufnahme (close-up), Großaufnahme (close-up), Halbnahe (two-shot), zurück zur Gesamteinstellung (master)". Wenn es eine Vorlage gibt, wäre es ungefähr die Hitchcocks -- das ist in dem Sinn gemeint, eine gespannte und dramatische Anspannung durch Gebrauch von sich ausdehnenden Einstellungen und langen Gesamteinstellungen aufzubauen, welche das Publikum in die Gegenwart der Handlung hineinzieht, als sie durch den Gebrauch von pompösen Schnittmustern zu verwirren.

Handlung. Wir werden die üblichen Geschichten über Paralleluniversum, Zeitreisen, Gedankenkontrolle, böser Zwilling, Superkräfte und all die anderen Klischees des Genres meiden. Unsere Serie ist zuerst vor allem ein Drama. Es geht um die Personen. Wirkliche Personen, mit denen sich das Publikum identifizieren kann und mit denen es sich beschäftigen kann. Es ist keine Serie über Technik oder bizarre Alienkulturen. Es ist eine Serie über uns. Es ist eine Allegorie zu unserer eigenen Gesellschaft, unseren eigenen Leuten und es soll sofort für jedes Mitglied des Publikums erkennbar sein.

Wissenschaft. Unsere Raumschiffe machen keine Geräusche, weil es keine Geräusche im Weltall gibt. Ton wird von Quellen aus dem Innern der Schiffe kommen -- das Heulen eines Triebwerkes wird beispielsweise für den Piloten hörbar sein. Unsere Raumjäger sind keine Flugzeuge und sie sollen nicht an Konventionen von WWII-Nahkämpfen gefesselt sein. Lichtgeschwindigkeit ist ein Gesetz und es wird keinen nachgebenden Bruch damit geben.

Und schließlich, Charaktere. Dies ist vielleicht die größte Abweichung der Science Fiction-Norm. Wir haben keinen "großspurigen Typen", "Schnellsprecher", kein "Genie", keinen "schrulligen Alien-Kumpel" oder irgendeinen von den anderen typischen Charakteren, die in Weltall-Serien populär sind. Unsere Charaktere sind lebende, atmende Menschen mit all ihrer emotionalen Komplexität und ihren Widersprüchen, die in Qualitätsdramen wie "The West Wing" oder "Die Sopranos" präsent sind. In diesem Sinne hoffen wir, unsere Zuschauer durch Möglichkeiten herauszufordern, die andere Genrestücke nicht haben. Wir wollen die Zuschauer mit den Charakteren der Galactica als Menschen verbinden. Unsere Charaktere sind keine Superhelden. Sie sind keine Elite. Sie sind alltägliche Menschen, die in einer enormen Katastrophe verfangen sind und die so gut wie möglich versuchen zu überleben.

Sie sind wie du und ich.